Männergesundheit: Das starke Geschlecht?
Männer reparieren lieber, als sich um die Vorsorge zu kümmern. Eine Erfahrung, die ich in meiner Praxis immer wieder mache. Im Gegensatz zu Frauen, die lieber in die Vorsorge investieren, suchen Männer häufig erst spät oder zu spät Hilfe.
Themen wie Erektionsstörungen oder früher Samenerguss sind natürlich häufig Gebiete, die schambesetzt und peinlich anzusprechen sind. Aber dennoch birgt eine frühe Diagnostik die Chance, auch andere Krankheitsbilder frühzeitig zu erkennen. So kann eine Erektionsstörung ein Hinweis auf eine Durchblutungsstörung, eine beginnende Arteriosklerose oder Herzproblematiken sein, und früh behandelt einen späteren Schlaganfall verhindern.
Wichtig ist auch bei solchen Themen wie Erektionsstörungen: keine Therapie ohne Diagnostik. All zu häufig stelle ich fest, dass Männer in meiner Praxis zwar vorher mehrere Urologen aufgesucht haben, aber außer den kassengezahlten Standarduntersuchungen und der Verordnung von potenzfördernden Mitteln wie Viagra oder Cialis wenig Unterstützung erfahren. Diagnostisch ist neben einer ausführlichen Anamnese, nicht nur über den allgemeinen Gesundheitszustand, sondern speziell auch über Sexualität, Erregungsart, Erregungsmuster, Erregungsquellen und die Lerngeschichte der eigenen Sexualität eine labormedizinische Untersuchung, eine Untersuchung des Blutes im Dunkelfeldmikroskop und die Diagnose mittels „Autonomen Response-Test“ – kurz: ART – nach Dr. Klinghardt die ersten Schritte, um hinter die Ursache der Erkrankung zu kommen.
Eine Grundfeste meiner Arbeit ist die Überzeugung, dass die Natur nach Gesetzen funktioniert und nichts ohne Grund macht. Ein Mann, der nicht in der Lage ist, zu penetrieren, nicht zur Fortpflanzung in der Lage ist und damit nicht in der Lage, die Welt weiter am Wachstum und am Gedeihen zu erhalten, kommt nach den Gesetzen der Natur eigentlich nicht vor. Daher ist es eine gute Idee, sich die Frage zu stellen: Warum? Was ist die Logik dahinter? Und welche biologischen Naturgesetze können diese Erektionsstörung zum Beispiel erklären?
STRESS – Das vegetative Nervensystem des Mannes
Ein häufig anzutreffender Symptomkomplex ist das Stressniveau des Patienten. Unser autonomes Nervensystem reguliert uns zwischen Entspannungsphasen, also Phasen, in denen soziale Interaktionen, Nahrungsaufnahme, Geselligkeit, Sexualität und Fortpflanzung stattfinden, und der sogenannten Sympathikusaktivierung – der Zeit für Kampf und Flucht.
Zwischen diesen zwei Polen regelt das autonome Nervensystem uns ein. Dies ist nur bedingt zu steuern und verlangt dafür sehr viel Übung. Die Erfahrung zeigt, dass allein hier ein Großteil der Ursachen zu finden sind.
Das Stressniveau bei Männern und Frauen ist insgesamt in den letzten Jahren stark angestiegen. Wir sind nicht mehr in der Lage, uns selbst zu regulieren. Unsere Systeme laufen auf Dauerstress, dauerhafte Anforderungen – immer wieder höher, schneller, weiter – führen dazu, dass Regenerationsphasen nicht mehr stattfinden oder nicht adäquat genutzt werden können. Die Schlafqualität leidet. Der Blutdruck ist auch nachts zu hoch. Die Verdauung wird schlechter. Die Erektion lässt nach. Ein ganz natürlicher Prozess, denn unser Gehirn unterscheidet nicht, ob die Anforderungen, die der Chef an uns stellt, die die Kinder an uns stellen, die der Straßenverkehr uns abfordert, wirklich lebensbedrohlich sind.
Für unser Nervensystem treten wir immer noch aus der Höhle und stehen dem Säbelzahntiger gegenüber. Und wenn wir in diesem Konstrukt an Essen oder an Sex denken, ist unser Leben zu Ende. Das ist in der Natur nicht vorgesehen. Also wird die Verdauungsleistung und die Libido heruntergefahren, Blut und Sauerstoff in die überlebenswichtigen und für Kampf wichtigen Systeme gepumpt. Unser Blutdruck steigt, unsere Muskeln, unsere Lungen werden gut versorgt, damit wir kämpfen oder weglaufen können. Immer häufiger treffe ich auf Männer, die in diesem Regulationsmechanismus nach oben hin aussteigen und in einen Totstellreflex gehen, also nicht mehr regulieren können. Die letzte Chance des Überlebens, wenn Flucht und Kampf nicht mehr möglich ist, bevor die Systeme komplett kollabieren, ist der sogenannte Freeze, das Einfrieren, der Totstellreflex: Der älteste Teil unseres Vagusnervs, der uns das Überleben gesichert hat. Die nervale Regulation wieder in den Griff zu bekommen, ist häufig der erste Schritt. Dies kann über Entspannungsübungen, Yoga, Atemtechniken, unter kontrollierter Atmung in einer sogenannten HRV-Messung geschehen.
Per Kurzinfusion können Aminosäuren wie Cholincitrat gegeben werden, die den Körper in eine Entspannung bei klarem Bewusstsein zwingen und so einen Entspannungszustand hervorrufen, in dem Übung und Veränderung gut möglich ist. Kernelement sind in jedem Falle Übungssequenzen, die der Patient mit nach Hause nehmen kann, denn ähnlich wie beim Zähneputzen als Kind ist es wichtig, jeden Tag zwei bis drei mal 15 Minuten zu üben. Das ist viel effektiver und nachhaltiger als einmal die Woche zwei Stunden eine Trainingseinheit hinzulegen. Die Übungssequenzen, die Hausaufgaben bestehen vorrangig aus Körperbewegungen, Körperübungen, kombiniert mit Atemmustern, Atemtechniken. Bei regelmäßiger Anwendung ist allein hiermit schon eine deutliche Symptomverbesserung zu erreichen.
HORMONE – auch Männer haben Wechseljahre
Die nächste Ebene, die es anzuschauen gilt, sind die Hormone. Oft unbeachtet und doch relativ häufig der Fall: auch Männer haben es mit der Schilddrüse zu tun. Landläufig wird eine Schilddrüsenüber- oder unterfunktion eher Frauen zugeschrieben. Aber auch immer häufiger finden sich Männer in meiner Praxis, die unter einer dysregulierten Schilddrüse leiden. Dies hat auf den Gesamthormonhaushalt des Körpers ebenso eine Auswirkung wie eine auf Hochtouren laufende Nebenniere, denn wenn die den ganzen Tag damit beschäftigt ist, Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol zu bauen, um den Anforderungen des Lebens gerecht zu werden, bleibt kein Rohmaterial um DHEA, den Grundstoff für die Sexualhormone zu bauen. Die phytotherapeutische Anwendung heimischer Substanzen und bioidentischer Hormone hilft hier neben der Homöopathie oft Wunder.
SCHMERZEN – Der Körper spricht mit mir
Chronische Rückenschmerzen geben Hinweise auf Spannungszustände im Hüft- und Beckenbereich. Vielleicht ein Beckenschiefstand, verkürzte Sehnen und Muskeln. All dies kann Einfluss auf die Erektionsfähigkeit und das Lusterleben des Mannes haben. Ebenso können sich Elektrolytverschiebungen im Blut, fehlendes Kalzium, ein zu viel an Kalium, aber auch ein latenter Eisenmangel, der zu einer Sauerstoffunterversorgung der Organe führt, negativ auf das Lusterleben und die Erektionsfähigkeit auswirken.
Die intravenöse Sauerstofftherapie nach Dr. Regelsberger ist in meiner Praxis einer der Therapieansätze, um die Durchblutung zu verbessern, Gefäßneubildung anzuregen und Spannungen abzubauen.
ICH BIN – auch Enkel, Sohn, Vater …
Für viele Männer sehr ungewohnt ist der Blick ins Beziehungs- und Familiensystem. Denn auf psychischer Ebene kann eine Partnerin, die, oft ungewollt, durch die Logik ihres eigenen Lebens, im wahrsten Sinne des Wortes ihren Mann „kastriert“, ebenso eine Erektionsschwäche herbeiführen wie nicht gesehene und nicht wertgeschätzte Verletzungen, sexuelle Übergriffe oder Kriegstraumata in der männlichen Ahnenlinie, die sich seit mehreren Generationen durch die Reihe der Männer fortschleppen. Hier bietet die PK-Arbeit nach Dr. Klinghardt (Psychokinesiologie) eine gute Möglichkeit sowohl zu Diagnostik als auch zu Therapie.
What´s love got to do ….
Dies alles zusammenfassen möchte ich mit dem Begriff der Selbstliebe – Es braucht bei den Männern mehr Achtsamkeit, mehr Aufmerksamkeit für die eigene Gesundheit, mehr Zeit für Entspannung, für Gesundheitsprävention. Und da braucht es einen liebenden und liebevollen Blick auf sich selber. Und daher nenne ich das Ganze die Aufforderung nach mehr Selbstliebe für die Männer. Ich möchte Männer dazu ermutigen, sich Hilfe zu suchen – gerne bei mir in der Praxis oder bei Kollegen. Denn insbesondere unsere Sexualität, unser Funktionieren ist bis auf wenige angeborene Reflexe gelernt und fußt auf positiven, wie negativen Erfahrungen unseres Lebens. Leider hat uns nie jemand beigebracht, wie es anders gehen könnte, was es noch für Techniken gibt, um in Entspannung zu kommen, um eine gute Erektion zu haben. Und Pornographie und Dr. Google sind meist schlechte Ratgeber, um eine wirkliche nachhaltige Veränderung herbei zu führen.
DieProstata und die Krebsangst
Der PSA-Wert als Laborparameter spielt in meiner Praxis nur eine untergeordnete Rolle und wird – wenn überhaupt – im Verlauf als Verlaufsparameter herangezogen. Als alleiniger Wert zur Diagnostik einer Prostataentzündung oder auch Prostatavergrößerung wird er von mir nicht genutzt. Ein erhöhter PSA-Wert als Einzelparameter hat einfach zu viele Einflussfaktoren wie zum Beispiel Fahrradfahren, denn der mechanische Satteldruck reizt über den Beckenboden die Prostata und erhöht den PSA Wert. Eine Leberbelastung kann den PSA-Wert ebenso erhöhen wie Fastenkuren. Auch Prostatamassagen und Analverkehr kann den PSA-Wert in die Höhe treiben. Die Erfahrung aus Gesprächen mit Patienten, die mit erhöhten PSA-Wert zu mir in die Praxis finden und sich eine Zweitmeinung holen, zeigt all zu oft, dass klinisch in der Schulmedizin beim Urologen diese Sachen überhaupt nicht abgefragt werden. Der Mann läuft dann häufig mit der Empfehlung einer Biopsie mehrere Wochen mit einer Krebsangst durch den Alltag, die – wie sich dann herausstellt – unbegründet ist. Auch eine Colon-Hydro-Therapie zum Beispiel, die naturheilkundlich zur Darmreinigung eingesetzt wird, treibt den PSA-Wert massiv nach oben. Ebenfalls erlebe ich häufiger in der Praxis, dass Männer nach Prostataoperationen überrascht sind, verwundert sind und sich von ihrem Urologen nicht gut aufgeklärt fühlen in Bezug auf möglicherweise eintretende Erektionsproblematiken, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Ejakulationsstörungen und auch Störungen im genitalen Lustempfinden.
Sicherlich stehen all diese Sachen in den Aufklärungsbögen, die der Mann im Rahmen einer Prostataoperation unterzeichnet hat. Notwendige Aufklärungsgespräche, um im persönlichen Gespräch auch hier die Risiken in Bezug auf das Männlichkeitsgefühl, das sexuelle Funktionieren und den sexuellen Selbstwert zu besprechen, fehlen häufig. Und die Männer sind nachher sehr verstört und frustriert. Hier ist Aufklärungsarbeit im Vorfeld wünschenswert. Auch hier wünsche ich mir, dass Männer in der Prävention und vor Operationsterminen in die naturheilkundlichen Praxen finden.
Aber auch im Nachgang können wir im Rahmen von psychoonkologischen Gesprächen und psychologischer Nachsorge den Männern helfen und wieder ein Stück mehr Lebensqualität fördern. Hier haben Achtsamkeitsübungen, Körpertherapie und Bewegungsübungen für den Beckenboden einen massiven Einfluss auf das Entzündungsgeschehen in der Prostata, Durchblutung, Blutversorgung, Blutentsorgung, und damit auch auf Entgiftung, der nervalen Versorgung und damit des Fühlens von genitaler Erregung und Lust. Auch nach Prostataoperationen ist es möglich, allein mit diesen Mitteln das Gefühl zu seinem Geschlecht wieder herzustellen und auch viele Männer wieder zurück in ihr Lustempfinden und ihre Erektionsfähigkeit zu führen.